Zur Erinnerung an Shania

Die traurige Geschichte eines Herdenschutzhundes

Shania war ein Kangal. Das sind Herdenschutzhunde aus dem mittleren und östlichen Taurus Gebirge in der Türkei. Kangals sind eine sehr alte Hunderasse. Sie sind Nachkommen der summerischen und assyrischen Hirtenhunde.

Shania wurde am 1. September 2005 in der türkischen Provinz Sivas geboren. Als Welpe wurde sie mit dem Auto nach Deutschland gebracht. Ihr erstes Lebensjahr verbrachte sie in einer Großstadt und durfte vermutlich ihr „Zimmer“ in einem Hochhaus nur selten oder nie verlassen. Irgendwann wurde sie vom Ordnungsamt beschlagnahmt und sollte eigentlich eingeschläfert werden.

Shania, Ginger, Kessy, klein Luna, Balou und hinten Merlin
Shania, Ginger, Kessy, klein Luna, Balou und hinten Merlin

Eine Tierschutzorganisation holte sie aus der Todeszelle und brachte sie nach Österreich. Ich war bei ihrer Ankunft dabei. Da man sich die Anschaffung jedes Hundes sehr genau überlegen sollte, insbesondere wenn es sich um einen Herdenschutzhund handelt, entschied ich mich nicht sofort sondern schlief noch eine Nacht darüber. Am nächsten Tag, es war Anfang Jänner 2007, holte ich sie zu mir nach Hause und begann sie in mein Rudel zu integrieren.

Shania kannte offensichtlich nichts und sie versuchte alles, was sich bewegte zu jagen. Dabei reagierte sie auf andere Tiere genau so impulsiv, wie auf Radfahrer, Autos, Traktoren, Baufahrzeuge usw. Daher meine Vermutung, dass sie, obwohl in einer Großstadt aufgewachsen, wohl nie, oder nur sehr selten ins Freie kam. Auch auf Gras reagierte sie so sonderbar, dass man annehmen musste,
dass sie noch nie welches unter ihren Pfoten gespürt hatte.

Shania lebte sich sehr gut bei mir ein und wurde ein richtiger Schmusehund. Aufpassen musste ich nur sobald die Dämmerung einsetzte und es Nacht wurde. Dann kam der Herdenschutzhund bei ihr durch und sie wurde zum kompromisslosen Wächter von Haus und Rudel.
Mit viel Liebe und noch mehr Geduld gelang es mir, sie an Brustgeschirr und Leine zu gewöhnen und dann versuchte ich, ihr langsam all das zu lehren, was ein Hund in unseren Breiten können sollte. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel man auch noch bei Tieren erreichen kann, die derart schlecht behandelt und nicht artgerecht gehalten wurden.

Dennoch kann man nicht alle Wunden heilen und nicht alles, was in der wichtigen Prägephase versäumt wurde, nachholen. Auf Grund ihrer besonderen Vorgeschichte konnte ich es nicht verantworten, Shania frei laufen zu lassen, außer auf eingezäunten Plätzen bzw. an der 15m Leine. Trotzdem hatte ich bereits nach einem halben Jahr soviel erreicht, dass ich sie nach Salzburg, auf einen Spaziergang durch die Getreidegasse, mitnehmen konnte. Man kann sich vorstellen, dass das Zusammenleben mit einem solchen Hund sehr viel Verantwortung bedeutet und nicht immer leicht ist.

Ungefähr ein Jahr lebte Shania bei mir. Ab und zu fuhr ich mit ihr und meinen anderen Hunden auf eine Hunde-Freilaufwiese.
Gerade Shania sollte, wenigstens für kurze Zeit, auch mal frei laufen und sich austoben können.

Am 22. November 2007 fraß sie auf eben dieser Wiese einen Giftköder. Mir blieb leider nichts anders übrig, als sie einschläfern zu lassen. Sie starb am 23. November 2007. Shania war der erste Herdenschutzhund den ich in meinem Rudel aufnahm. Ich habe über diese Hunde schon zuvor einiges in Büchern gelesen. Ich gestehe ich hielt manches für Übertreibung. Shania belehrte mich eines besseren. Nun sehe ich Herdenschutzhunde mit anderen Augen. Ich schätzte schon immer Hunde mit starker Persönlichkeit die sich nicht alles gefallen lassen und nicht jede Aufforderung bedingungslos befolgen.

``Zu Anfang schuf Gott den Menschen und als er sah,
wie schwach er war, gab er ihm den Hund.`
`

 aus dem alten Assyrien

Das Schicksal wollte es, dass im Juli 2007 ein zweiter Herdenschutzhund (Merlin), ein Sarplaninac-Mischlingswelpe von 10 Wochen, bei uns einzog. Shania wurde sein Kindermädchen und die zwei hatten, typisch Herdenschutzhund, von Anfang an eine starke Bindung zu einander. 2008 kam dann noch eine anatolische Herdenschutzhündin, Nimue, zu uns.

 

Leider war die Zeit die wir mit Shania verbringen durften viel zu kurz.

Shania
Ich denke an euch, wenn ich über die endlos
weiten Ebenen und durch die uralten
Wälder, am Fuße der gewaltigen Berge
renne, wo ich zu Hause bin.